ICH HABE EINEN TAG IN EINEM TINY HOUSE GEWOHNT: ICH MOCHTE DAS OFFENE KONZEPT, DOCH ES BOT WENIG PRIVATSPHäRE

Unsere Redakteurin Julia Poggensee hat in einem Tiny House übernachtet und gearbeitet – und es hat ihr überraschend gut gefallen, auch wenn es Einschränkungen gab.

Vom mobilen Camper über einen umgebauten Schiffscontainer bis hin zum Tiny House – das Wohnen auf kleinem Raum liegt im Trend. Die Mini-Häuser, die zwischen acht und 50 Quadratmeter groß sind, sollen Minimalismus mit Funktionalität vereinen. Zudem gilt der kompakte Wohnraum als nachhaltig, weil Tiny Houses oftmals aus Holz gefertigt werden und weniger Energie verbrauchen als ein Einfamilienhaus.

In meinem Bekanntenkreis gehen die Meinungen zum minimalistischen Wohnstil stark auseinander – während manche mit einem Leben im Van liebäugeln, bevorzugen andere ein Familienleben in einem Haus auf dem Land. Ich wollte mir selbst eine Meinung bilden und habe einen Tag in einem Tiny House in München verbracht. Für mich war es eine völlig neue Erfahrung, denn ich bin in einem großen Haus auf dem Land aufgewachsen und habe noch nie einen Urlaub auf einem Campingplatz verbracht. Und erst einmal bin ich mit einem Van auf einem Roadtrip gewesen. Umso neugieriger war ich, das Leben im Tiny House einmal zu testen.

Mein erster Eindruck war überaus positiv – die helle und offene Atmosphäre im Tiny House haben mich rasch begeistert. Ein weiterer Pluspunkt: Der Stellplatz befand sich, sehr idyllisch gelegen, mitten im Nordteil des Englischen Gartens – ein Traum für Naturliebhaber wie mich! Doch das neuartige Wohnkonzept birgt auch Nachteile. So war mein Tag im Tiny House:

Das Tiny House von Vagabundo Living besteht aus zwei Etagen, die für den Transport ineinandergeschoben werden können.

Zwischen Großstadt- und Dorfleben: Das Tiny House liegt idyllisch im Englischen Garten

Es ist ein sonniger Tag im Juni, als ich mich auf den Weg zum Gelände eines alten Elektrizitätswerks mache. Dort steht eines der Musterhäuser von "Vagabundo Living", einem Startup, das verschiedene Tiny-Häuser herstellt und verkauft. Auf Linkedin hatten Andreas Müller, Michael Leitner und Luca Knipp einen Aufruf gestartet, um einen Stellplatz für ihren Prototypen zu finden. Mit Erfolg: Ein Unternehmer bot Ihnen eine freie Fläche mitten im Englischen Garten an. Auf dem Anwesen befinden sich ebenfalls einige Co-Working-Spaces, die von verschiedenen Startups genutzt werden.

Dennoch vermittelt die Landschaft das Gefühl von Landleben. Außer Vogelgezwitscher hört man lediglich das Rauschen des Eisbaches, der durch den (384 Hektar großen) Stadtpark fließt und in die Isar mündet. Wenige Gehminuten entfernt befindet sich sogar an eine Badestelle – und die berühmte, künstlich angelegte Eisbachwelle, die von Surfern genutzt wird.

Für mich könnte es in einer Großstadt keinen schöneren Stellplatz geben – so mein Eindruck, nachdem ich drei Jahre in München gewohnt habe. Als ich vor dem Tiny House stehe, bin ich fasziniert von dem hellen und offenen Konzept, das durch eine große Fensterfront realisiert wird. Das Highlight meiner bisherigen Wohnungen waren stets der Balkon sowie die großen Fenster, die viel Tageslicht zuließen. Doch dieser Vorzug birgt auch den für mich größten Nachteil, wie ich später feststellen muss: Privatsphäre gibt es hier im Tiny House kaum – jeder Vorbeigehende kann problemlos einen Blick auf das Innere erhaschen.

Aufgrund der großen Fensterfronten wirkt das Tiny House besonders hell und offen – das ist ein großer Vorzug, hat aber auch Nachteile.

Das Tiny House ist noch nicht an eine Wasserleitung angeschlossen

Andi, einer der Gründer von Vagabundo, begrüßt mich und führt mich durch das Tiny House. Und das geht schnell, immerhin ist das Haus lediglich 2,55 Meter breit, fast acht Meter lang und vier Meter hoch. Das Objekt besteht komplett aus lasiertem Holz und steht auf einer Wechselbrücke, wie ich erfahre. Vier Stützen sorgen dafür, dass ein LKW problemlos unter das Haus fahren und mit den Eckverbindungen koppeln könnte, um es etwa an einen anderen Ort zu transportieren.

Eine provisorische Treppe ermöglicht den Zugang ins Tiny House, und zwar in den Wohn- und Essbereich. Eine Sitzecke lädt zum Lesen und Abschalten ein. Bei geöffnetem Fenster und einem Blick ins Grüne kann man hier die Beine und die Seele baumeln lassen.

Eine Sitzecke im Tony House lädt zum Entspannen ein.

Die Küche aus dunklem Holz ist modern, doch viel Platz zum Kochen kann man hier nicht erwarten. Als ich am Abend, gemeinsam mit einer Freundin, Pasta zubereite, müssen wir das Schneiden und Zubereiten auf den Wohn- und Esstisch verlegen.

Die Küche des Tiny Houses bietet recht wenig Platz, ist aber sehr modern ausgestattet.

Von der Küche aus gelangt man ins Bad, das mit einer Waschschale, einer Toilette sowie einer Dusche ausgestattet ist. Optisch fügt es sich in das moderne Konzept der Küche, doch es gibt einen Haken. Abwasser- und Zuwasserleitungen sind zwar unterhalb des Hauses vorhanden, aber noch nicht angeschlossen. Somit kann ich das Badezimmer während meines Aufenthaltes nicht nutzen. Für Toilettengänge und zum Duschen muss ich auf die Coworking-Räume im Nebengebäude ausweichen. Ob die Dusche und der Waschbereich nicht nur schön anzusehen, sondern auch praktikabel sind, kann ich daher nicht beurteilen.

Eine Treppe trennt den Wohn- vom Arbeits- und Schlafbereich – gut fürs Home Office

Eine Wendeltreppe trennt den Wohn- und Essbereich vom Schlafzimmer sowie vom Arbeitsplatz.

Eine Wendeltreppe aus Holz führt auf die obere Etage – den Schlaf- und Arbeitsbereich. Hier ist Platz für ein 1,20 Meter bis 1,40 Meter breites Bett, einen Schreibtisch sowie eine Kleiderstange. Auch das zweite Geschoss wirkt durch die großen Fensterfronten offen. Mein Highlight ist das Rundfenster am Kopfteil des Bettes, durch das man auf die umliegenden Schrebergärten sowie über den Englischen Garten blicken kann.

Das Tiny House verfügt auch über einen Arbeitsbereich, um beispielsweise im Home Office arbeiten zu können.

Ich verlege meinen Arbeitsplatz für einen Tag ins Tiny House. Da noch kein WLAN vorhanden ist, verknüpfe ich meinen Laptop mit dem Hotspot meines Smartphones. Somit reicht das Internet für meine Tätigkeiten im Home Office vollkommen aus – doch für einen Videocall setze ich mich sicherheitshalber in einen der Co-Working-Räume. Wer dauerhaft in einem Tiny House wohnen und arbeiten möchte, sollte sich also in jedem Fall um eine drahtlose Netzwerkverbindung kümmern.

Das mobile Arbeiten bin ich bereits gewohnt, daher konnte ich auch im Tiny House meine Aufgaben produktiv erledigen. Vor allem die ruhige Umgebung und der ausgestattete Schreibtisch mit Blick in die Landschaft empfand ich als angenehm. Durch die Aufteilung auf zwei Etagen lassen sich das Arbeiten sowie das Kochen und Wohnen gut voneinander zu trennen. Ein Haus, das sich lediglich über eine Ebene erstreckt und gleichzeitig wenig Platz bietet, stelle ich mir für eine Home-Office-Tätigkeit dagegen herausfordernd vor, sofern man damit nicht vertraut ist.

Hell und offen, aber wenig Privatsphäre

Positiv aufgefallen ist mir außerdem, dass es im Haus viele Steckdosen gibt, um Laptop, Handy und Co. zu laden. Strom sowie die Fußbodenheizung für beide Etagen lassen sich über eine Schaltzentrale regeln, die man wiederum mit einer App verbinden kann. Tagsüber brauchte ich kein Licht, weil die Sonne ins Tiny House schien. Dementsprechend warm war es allerdings – einen kühlen Ort zum Ausruhen sucht man vergebens. Das hängt natürlich stark damit zusammen, in welchem Ort und in welcher Ausrichtung das Tiny House aufgestellt ist.

Um mich dauerhaft in dem Mini-Haus wohlfühlen zu können, würde ich Jalousien an den Fenstern anbringen. Denn theoretisch könnte euch jeder Vorbeigehende beim Kochen, Wohnen oder Umziehen beobachten. Im Obergeschoss ist dies durch eine lange Wand neben dem Schlafbereich gut gelöst worden. Glücklicherweise war es dadurch abends dunkel genug, um gut schlafen zu können. Als ich mich am Abend in das Bett fallen lasse, nehme ich den intensiven, aber beruhigenden Geruch von Holz wahr. Daran könnte ich mich gewöhnen, denke ich mir.

Fazit: Kompaktes Wohnerlebnis zum Wohlfühlen – allerdings eher für Einzelpersonen

Abgesehen von der beschränkten Privatsphäre und der hohen Raumtemperatur hat mir das kurzzeitige Wohnen auf dem begrenzten Raum sehr gut gefallen. Wie gut man mit wenig Platz auskommt, ist sicherlich von Person zu Person unterschiedlich. Ich habe bereits in WG-Zimmern sowie in einer 23-Quadratmeter kleinen Wohnung gelebt und bin mit dem begrenztem Wohnraum sehr gut ausgekommen.

Besonders gut gefällt mir die Flexibilität – das Tiny House mitten im Englischen Garten von München ermöglicht es, Großstadt- und idyllisches Landleben miteinander zu vereinen. Das helle und offene Konzept hatte nur einen Nachteil: wenig Privatsphäre.

Zu zweit stelle ich mir das Wohnkonzept herausfordernd vor, da es wenig Rückzugsmöglichkeiten gibt. In der Küche müsste es, aufgrund des begrenzten Platzes, eine klare Arbeitsteilung geben. Auch ein Leben mit Kindern könnte ich mir in einem Tiny House nicht vorstellen. Für Einzelpersonen, die platzsparend, nachhaltig und flexibel wohnen wollen, finde ich das Konzept dagegen genial. Wer sich den Traum von einem Tiny House erfüllen möchte, sollte jedoch einen Vergleich mit einem größeren Haus oder einer Wohnung aufstellen, und dabei auch die Kosten für den Stellplatz einbeziehen.

2023-06-09T16:35:08Z dg43tfdfdgfd